Unterwegs zur Vergebung
Schritte zur Freiheit
Wenn immer ich mit jemandem über das Thema „Vergebung“ spreche, kommt sofort der Satz: „Das ist ein sooo wichtiges Thema“ Offensichtlich betrifft das Thema jeden von uns. Gleichzeitig heisst das auch, dass wir dem Thema etwas ratlos gegenüberstehen. Es gibt wenig hilfreiche Wegleitung, um damit gut umgehen zu können.
Seit vielen Jahren beschäftige ich mich damit und habe verschiedene bewährte Werkzeuge an die Hand genommen und habe noch einige dazu entwickelt. Daraus ist ein gangbarer und wirksamer Weg entstanden, wie Vergebung heilsam und befreiend wirken kann.
Einer der grössten Irrtümer rund um das Thema der Vergebung ist, dass es um den anderen geht.
Es geht bei der Vergebung NICHT um den anderen. Es geht darum, dass DU frei und entlastet werden kannst!
Unter mangelnder Vergebung leiden nicht die anderen, sondern ich selbst! Es ist eine schwere Last, die ich den anderen nachtrage.
"Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist" 1. Mose 2,18
Der Mensch wurde von Anfang an als Beziehungswesen geschaffen. Um eine Beziehung mit Gott und zueinander zu haben. Doch die Beziehungen wurden von Anfang an gestört. Und das erleben wir auch heute in unseren Beziehungen.
Wir werden enttäuscht, missachtet, verletzt, gemobbt, verlassen, betrogen, hintergangen, übersehen, ignoriert, bestraft, geschlagen usw.
Daraus entstehen Schmerz, Wut, Hass, Rückzug, Resignation, Rachefantasien und am Ende Bitterkeit.
Mit jeder Person, die mich verletzt, entsteht eine ungute Verbindung! Am Ende bin ich in einem Netz gefangen und kann mich nicht mehr frei bewegen! Neben dem, dass die anderen an mir schuldig geworden sind, waren meine eigenen Reaktionen auch nicht in Ordnung und ich werde auch schuldig!
Am Ende sind alle meine Beziehungen beeinträchtigt. Meine Beziehung zu Gott. Meine Beziehung zu anderen Menschen, oft zu meinen nächsten Freunden. Meine Beziehung zu mir selbst.
Mit seinem Sterben am Kreuz hat Jesus einen Weg zur Vergebung geschaffen. Durch IHN ist es nun möglich, dass meine Beziehung zu IHM, zu Gott, zu meinen Mitmenschen und zu mir selbst wieder in Ordnung kommt. Er will mir helfen, den Anderen aus meiner Anklage zu entlassen.
Grundlage der Vergebung
Karfreitag und Ostern sind im christlichen Glauben zentral. Darauf läuft alles hinaus. Jesus stirbt am Kreuz um einen Weg aus unseren kaputten Beziehungen zu schaffen. Er kennt und trägt unsere grössten Schmerzen und Enttäuschungen. Und er beseitigt unser schuldhaftes Verhalten.
"Doch wenn wir unsere Sünden bekennen, erweist Gott sich als treu und gerecht: Er vergibt uns unsere Sünden und reinigt uns von allem Unrecht, das wir begangen haben."
1. Johannes 1, 9
"Ihr sollt erfahren, mit welch unermesslich großer Kraft Gott in uns, den Glaubenden, wirkt. Ist es doch dieselbe Kraft, mit der er Christus von den Toten auferweckte."
Epheser 1, 19-20
Die Auferstehungskraft, diese unglaubliche Kraft Gottes, ist in uns wirksam.
Sie bewirkt eine neue Identität in uns! Sie heilt Verletzungen in unseren Herzen! Sie verändert uns in das Ebenbild Jesu! Sie macht Versöhnung möglich!
Wenn wir verletzt werden kommen entsprechende Gefühle zum Vorschein. Wut, Hass, Angst, Minderwert … Manchmal sind diese Gefühle sehr stark. Manchmal sind sie auch ganz diffus.
Manchmal stimmen sie mit den Tatsachen überein, oft tun sie das auch nicht. Und genau hier liegt eine der grossen Herausforderungen der Vergebung! Wir haben nicht gelernt mit diesen Gefühlen umzugehen! Lange wurden wir gelehrt, dass der Verstand, die Vernunft und der Wille zählen.
Doch unsere Erfahrung zeigt, dass das nicht stimmt!
Gefühle und Tatsachen müssen miteinander in Einklang gebracht werden. Und wir müssen dem Ursprung der Gefühle auf den Grund gehen.
Unsere verletzten Gefühle brauchen Heilung.
Heilung bei Jesus suchen
Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen! Und ich werde euch Ruhe geben. Nehmt auf euch mein Joch, und lernt von mir! Denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und «ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen»
Matthäus 11, 28-29
Wenn wir unseren Verletzungen auf den Grund gegangen sind, können wir sie zu Jesus bringen und IHM die Verletzungen hinhalten, sie mit IHM teilen. Das ist der Anfang der Heilung.
Vergeben ist ein Weg. Es gibt keine Abkürzungen.
Vergeben bedeutet, den Anderen aus meiner Anklage zu entlassen.
Dazu muss ich zuerst Anklagen. Und damit ich anklagen kann, muss ich hinschauen! Was ist geschehen? Welche Gefühle hat das ausgelöst? Welcher Schaden ist entstanden?
Dann kann ich meine Anklage formulieren.
Mit der Anklage kann ich unter gewissen Umständen den anderen konfrontieren. Ich kann die Anklage vor Gott bringen, kann sie abgeben/loslassen.
Darin ist auch ein Trauerprozess nötig. Es braucht Heilung und Zeit.
Vielleicht mündet der Prozess in Versöhnung. Das ist aber gar nicht zwingend!
Bei vielen Menschen ist das Problem gar nicht so gross, dass sie anderen vergeben könnten. Das ist für sie nicht so schwer. Viel grösser ist das Problem, sich selbst nicht vergeben zu können.
Genauso wie ich einen Weg der Vergebung anderen gegenüber gehen kann, kann ich ihn auch mit mir selber gehen. Das Prinzip ist ähnlich. Es geht darum hinzuschauen, eine Anklage zu formulieren und die Anklage abzugeben und loszulassen.
Und auch dieser Weg hat keine Abkürzung und braucht Zeit.
Dinge geschehen in meinem Leben, die ich nicht verstehe und die mir Schmerz bereiten. Oft sehe ich Gott als Urheber davon. Doch Gott kann ja gar nicht schuldig sein. Also kann ich ihm auch nicht vergeben.
Doch wenn Vergebung bedeutet, den anderen aus der Anklage zu entlassen, heisst das, dass ich Gott auch aus meiner Anklage entlassen kann und muss. Auch hier geht es darum hinzuschauen und mich meinen Gefühlen zu stellen.
Wenn uns jemand verletzt, ist das eine Grenzüberschreitung. Wenn ich nicht immer wieder von Neuem verletzt werden, und den Prozess der Vergebung wiederholt gehen will, muss ich lernen Grenzen zu setzen. Dazu muss ich meine Grenzen kennen und definieren. Wenn ich sie definiert habe, muss ich sie auch bekannt geben und am Ende auch durchsetzen. Das kann gelernt werden.
Versöhnung
Am Ende steht die Versöhnung. Auch wenn diese nicht mit allen Menschen möglich ist, sollten wir in geklärten Beziehungen miteinander leben. Wir sind als Beziehungswesen geschaffen. Es ist mein grosser Wunsch, dass wir mit Gott, mit unseren Mitmenschen und mit uns selbst in versöhnten Beziehungen leben. Dafür müssen wir uns auf den Weg machen. Jeder Schritt bringt uns weiter.